Ein bisschen früher, als der letzte Textschnipsel kommt dieser hier. Obwohl es ja nur noch drei Monate bis zum Erscheinen des Romans sind, hibblen viele von euch schon ganz arg, das weiß ich. Deshalb habe ich euch heute ganz spontan noch mal einen kleinen Einblick in die Geschichte zusammengestellt. Ich hoffe er gefällt euch. Wie immer ist das Ganze noch nicht lektoriert oder glattgeschliffen, also verzeiht mir die eine oder andere stilistische Unebenheit.

»Du lässt sie ja nicht einmal zu Wort kommen«, schalt Adelina erneut gutmütig und trat nun selbst auf ihre Stieftochter zu, die bisher noch gar nichts gesagt hatte. Ein wenig blass wirkte sie, aber nach den Ereignissen des Tages war das wohl verständlich. Dass ausgerechnet Cristan Reese Griet nach Hause begleitet hatte, erschien ihr zwar als ehrenhaft, jedoch hinsichtlich Griets Verhalten von neulich ein klein wenig besorgniserregend. Sie schien es allerdings recht gut verkraftet zu haben, denn nun lächelte sie ebenfalls.
»Schon in Ordnung, Mutter, ich weiß doch, wie Mira ist. Mir geht es gut.« Sie räusperte sich, da ihre Stimme ein wenig gepresst klang. Adelina schob es erneut auf die Aufregung der vergangenen Stunden. »Clara ist jetzt in Einzelhaft in der Kunibertstorburg. Mutter, ich habe mir erlaubt, für sie zu bezahlen. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht böse. Wenn du willst, zahle ich es zurück.«
»Ach du liebe Zeit, wo denkst du denn hin?« Adelina winkte ab. »Du hast genau das Richtige getan. Wenn ich an die ekelhaften Gestalten denke, die dort eingekerkert sind! Eine eigene Zelle mag teuer sein, aber die arme Clara ist dort allemal besser untergebracht. Ich frage mich, wer in aller Welt sie dieses Mordes bezichtigt haben mag.«
»Es war Wendel, der Knecht des Kürschners.«
»Auch das noch! Woher weißt du das?«
»Hauptmann Reese hat es uns gesagt.«
»Euch?« Adelina hob erstaunt den Kopf.
»Clara und mir.« Griet räusperte sich erneut und spielte an einer Rockfalte herum. »Deshalb bin ich doch dort geblieben. Er bat mich … na ja, weil ich mit Clara befreundet bin, wollte er, dass ich bei ihrer Befragung dabei bin.«
»Was hat er denn überhaupt damit zu tun? Ist das nicht Sache des Vogtes oder des Gewaltrichters?«
»Er hilft dem Gewaltrichter, weil er dessen Posten ab Oktober übernehmen wird«, erklärte Griet. »Das hat er auch erst heute erfahren, aber jetzt soll er wohl gleich in das Amt eingewiesen werden, damit die Übergabe reibungslos klappt.«
»Das ging ja schneller als vermutet«, befand Tilmann. »Ich hätte nicht gedacht, dass Rat und Schöffen sich so schnell einig werden. Aber gut für Cristan. Das Amt passt zu ihm.«
»Und er wollte, dass du bei der Befragung anwesend bist? Dann hast du also mit Clara gesprochen?«, hakte Adelina nach. »Geht es ihr gut?«
»Ich glaube schon.« Griet nickte.
»Die Angelegenheit wird sich doch sicher schnell aufklären«, mischte Mira sich ein. »Ich begreife gar nicht, wie dieser Wendel dazu kommt, Clara anzuzeigen.«
»Ich habe dem Hauptmann auch gleich gesagt, dass Clara unschuldig ist. Aber da wusste ich noch nicht, dass …« Griets Miene verdüsterte sich. »Die Sache ist wohl nicht so einfach. Es ist nämlich so, dass Wendel auch behauptet hat, Clara habe damals in Aachen schon einmal einen Mann getötet.«
»Was?« Adelina und Mira starrten sie fassungslos an.
Tilmann runzelte die Stirn. »In Aachen?«
»Sie soll ihn erschlagen haben.«
»Das ist doch Unfug!«, rief Mira.
Griet schüttelte den Kopf. »Anscheinend ist es das nicht. Clara hat zugegeben, dass sie kurz vor ihrer Flucht einen Freier mit einem Steinkrug geschlagen hat. Geschlagen wohlgemerkt, nicht erschlagen. Sie wollte ihn wohl nur abwehren.« Griet schluckte hart, sprach jedoch unbeirrt weiter. »Sie sagt, er wäre noch am Leben gewesen, als sie weggerannt ist. Aber Wendel behauptet, er sei tot gewesen.«
»Das ist allerdings übel.« Besorgt verzog Adelina die Lippen. »Gibt es irgendeinen Beweis, dass Clara für den Tod dieses Freiers verantwortlich ist? Zeugen?«
»Das wissen wir noch nicht.« Griet hob die Schultern. »Wir … Hauptmann Reese konnte Clara nicht weiter befragen, weil ich …« Sie stockte und knabberte kurz an ihrer Unterlippe. »Mir war nicht gut und er war so freundlich, mich nach Hause zu bringen.«
»Was fehlt dir denn?« Erschrocken fasste Adelina Griet am Arm und musterte sie eingehend. »Ich dachte vorhin schon, dass du ein bisschen blass bist. Du wirst doch nicht etwa krank werden?«
»Nein, nein, Mutter. Sei unbesorgt. Mir geht es schon wieder gut. Es war bloß der Schreck …«
»Der Schreck?« Fragend musterte Tilmann sie.
»Äh, ja, wegen Claras Verhaftung und so. Die Aufregung.« Griet nestelte erneut an ihrer Rockfalte herum und Adelina konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ihnen etwas verschwieg. »Die Luft in der kleinen Zelle war auch nicht so angenehm, deshalb … Aber jetzt geht es mir wieder ganz gut. Wirklich.«
»Na hoffentlich!« Mitfühlend strich Mira ihr über die Wange. »Komm, gehen wir in die Küche und sehen nach, ob es irgendwo noch Würzwein und süße Wecken gibt. Die werden dich schon wieder kräftigen. Und dann müssen wir uns unbedingt überlegen, wie wir Clara helfen können.«
»Wenn ihr überhaupt zu helfen ist«, gab Tilmann zu bedenken. »Es besteht immerhin auch die Möglichkeit, dass sie es tatsächlich gewesen ist.«
»Wie bitte?« Miras Kopf ruckte zu ihm herum. »Das glaubst du doch nicht im Ernst! Clara könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.«
»Auch nicht dem Mann, der sie gezwungen hat, in einem Dirnenhaus zu arbeiten?« Er hob beschwichtigend die Hände, bevor Miras Temperament erneut mit ihr durchgehen konnte. »Ich sage ja nur, dass sie im Augenblick die Einzige ist, die einen nachvollziehbaren Grund hatte, den Kürschner zu ermorden. Mag sein, dass sie es nicht wahr, doch um das zu beweisen, müssten wir zumindest einen anderen Verdächtigen finden.«
»Der Münzwechsler selbst könnte es gewesen sein«, schlug Griet vor.
Inzwischen hatten sie sich in die Küche begeben. Adelina hatte alle Türen offengelassen, damit sie hörten, wenn jemand die Apotheke betrat, und ging rasch in den Vorratsraum, um Wecken und Wein zu holen.
Mira stellte Becher auf den Tisch und sie setzten sich. »Das wäre eine Möglichkeit. Was wollte der Kürschner überhaupt bei Birboim? Woher kannten sie sich?«
»Gute Fragen, die die Schöffen sicherlich auch stellen werden.« Tilmann nahm Adelina den schweren Weinkrug ab und schenkte der Reihe nach allen ein. »Wenn ich es recht verstanden habe, war Clara zur Zeit des Mordes in Birboims Haus?«
Adelina nickte. »Ich traf sie dort, als ich das Haus verließ.«
»Sie war bei Frau Lisbeth.« Griet berichtete, was Clara dem Hauptmann erzählt hatte und schloss mit den Worten: »Sie glaubt, Wendel beschuldige sie, weil er dem Kürschner so treu ergeben war und wahrscheinlich glaubt, sie hätte befürchtet, zurück nach Aachen geschickt zu werden.«
»Was gar nicht so abwegig ist.« Adelina seufzte. »Was für eine verfahrene Situation! Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Clara ihren Vater umgebracht hat.«
»Solange es keine Beweise, Zeugen oder ein Geständnis gibt, werden die Schöffen Clara nicht verurteilen«, sagte Tilmann, schränkte jedoch sogleich ein: »Aber im Gefängnis behalten werden sie sie, bis sie Sache aufgeklärt ist. Wie lange auch immer das dauern wird. Falls sie sich überhaupt klären lässt.«
»Wir müssen ihr helfen!« Griet nippte nur an ihrem Wein und drehte dann den Becher zwischen den Fingern. »Sie war es nicht, da bin ich ganz sicher.«
»Das sind wir wohl alle, bis auf meinen Herrn Gemahl.« Mira warf Tilmann einen schrägen Seitenblick zu, woraufhin dieser die Stirn in Falten zog. »Frau Gemahlin, Ihr legt mir mal wieder Worte in den Mund, die ich nie gesprochen habe. Ich habe lediglich angemerkt, was auch die Schöffen und der Gewaltrichter annehmen werden, solange es keine anderen Hinweise gibt.«
»Dann gehen sie aber von vollkommen falschen Annahmen aus.« Mira sah ihn herausfordernd an.
Tilmann zuckte die Achseln. »Was aber auch erst einmal zu beweisen wäre. Ich sehe schon, uns wird nichts anderes übrig bleiben, als den alten und den zukünftigen Gewaltrichter bei der Untersuchung dieses Mordes zu unterstützen. Ausgerechnet jetzt, als hätten wir mit dem Turnier nicht genug zu tun.«
»Claras Wohlergehen und der Beweis ihrer Unschuld sind wohl wichtiger als das Turnier!« Mira funkelte ihn an.
Tilmann nickte bedächtig. »Sagen wir mal so: Beides ist wichtig, auf jeweils andere Weise. Zum Glück sind wir zu mehreren, sodass es vergleichsweise leicht möglich sein sollte, die Vorbereitungen voranzutreiben und gleichzeitig Erkundigungen einzuholen.« Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lächelte Adelina schmal zu. »Dabei war es gerade einmal so schön friedlich. Was ist nur mit dieser Familie, dass wir immer wieder in solche Geschehnisse verwickelt werden?«
Adelina hob nur die Schultern. Diese Frage hatte sie sich in der Vergangenheit bereits oft genug gestellt. Eine Antwort darauf hatte sie bislang allerdings nicht gefunden.

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Über Fragen, Kommentare, Anregungen usw. würde ich mich wie immer sehr freuen.

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