Die meiste Zeit halte ich mich in der Öffentlichkeit mit Äußerungen zu meiner politischen oder weltanschaulichen Meinung zurück. Nicht, weil ich keine Meinung oder Weltanschauung besitze, sondern weil ich vielmehr finde, dass ich mich öffentlich über das definieren sollte, was ich tue, wie ich mich anderen Menschen gegenüber verhalte und auch, was ich in meinem Romanen und diesem Blog schreibe, und nicht darüber, Gesinnungen, Glaubensfragen oder eine politische Richtung zu diskutieren.

Neulich Abend, als ich wie so häufig meine Facebook-Timeline öffnete, sprang mir der Post eines meiner “Freunde” entgegen, der mich ziemlich erschreckt hat. Was er schrieb, werde ich nicht wiederholen. Nur so viel: Es war Menschen verachtend und vollkommen an den Haaren herbeigezogenes Hetzgerede gegenüber Menschen, die von Afrika zu uns herüberkommen. Als ich daraufhin seine Chronik betrachtete, musste ich feststellen, dass er seit einer Weile kontinuierlich (und das war früher nicht so, sonst wäre er nicht mein “Freund” geworden) hetzerische, Menschen verachtende Artikel und Parolen postet und dafür aus seinem weiteren Freundeskreis auch noch jede Menge Zuspruch erhält.

Er ist umgehend und kommentarlos aus meiner Freundesliste geflogen.

Eigentlich wäre das Thema damit für mich beendet gewesen, doch diese kleine Begebenheit hat mich nachdenklich gemacht, und wenn mich etwas nicht mehr loslässt, muss ich darüber schreiben. In diesem Fall ist es doch mal ein politisches und weltanschauliches Statement.

Ein Statement für die Menschlichkeit.

Ich kann und werde niemals begreifen, weshalb man einen Menschen allein wegen seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, Sprache oder Religion (vor)verurteilen kann.

AntiHassBanner

Ich kann und werde einen Menschen nicht mögen, möglicherweise in schlimmeren Fällen sogar verabscheuen, wenn er sich mir oder anderen Menschen (oder auch anderen Lebewesen ganz algemein) gegenüber respektlos, intolerant, verachtend, brutal (seelisch wie körperlich) und/oder gewalttätig verhält. Wenn dieser Mensch andere Menschen geringschätzt, nur weil sie nicht so sind wie er oder sie selbst, weil sie etwas anderes glauben, anders aussehen, ein anderes Geschlecht haben, eine andere Sprache sprechen, nicht das tun oder so sind, wie er oder sie es gern hätte.

Ich kann NICHT einen Menschen dafür (vor)verurteilen oder gar verachten und mies behandeln, weil er oder sie anders aussieht, eine andere Sprache spricht, an etwas (oder jemanden) anderes glaubt als ich oder vielleicht an gar nichts (und niemanden) oder weil dieser Mensch ein anderes Geschlecht hat oder aus einem anderen Viertel dieses Planeten stammt oder ganz einfach nicht meiner Meinung ist.

Wenn ich mich so umsehe, frage ich mich, wo bei all diesem Hin und Her und Gezerre und Gezeter um Geschlechter, Herkunft, Aussehen und/oder Glaubensfragen verdammt noch mal unsere Menschlichkeit geblieben ist.

Denn in erster Linie sind wir, ganz gleich, wo wie herkommen oder wie wir aussehen oder vor welchem kulturellen Hintergrund wir aufwachsen durften oder mussten, alle Menschen. Frauen und Männer. Männer und Frauen. Und Kinder. Jungen und Mädchen. Mädchen und Jungen. Nicht mehr und nicht weniger.

Für mich ist es ein entsetzlicher Gedanke, welches Leid Menschen anderen Menschen antun, nur weil sie unterschiedlicher Herkunft, Kultur und/oder Glaubens sind. Dass sie einander deshalb sogar umbringen (würden).

Genauso unfassbar und zornig bin ich darüber, dass Männer Frauen bedrängen (oder manchmal auch umgekehrt), vergewaltigen, misshandeln. Das Frauen versklavt und/oder zur Prostitution gezwungen oder zwangsverheiratet werden. Dass es Menschen gibt, die offenbar glauben, die ganze Hand samt Arm nehmen zu dürfen, bloß weil man ihnen zur Hilfe den kleinen Finger gereicht hat. Dass manche Menschen glauben, immer weiter nehmen zu dürfen, ohne selbst jemals etwas zu geben. Dass sie Hilfe von ihren Mitmenschen erwarten und dann im günstigen Augenblick die Hand beißen, die sie gefüttert oder gehalten hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Menschen meine Sprache nicht sprechen oder meinem Kulturkreis angehören. Ich bin gleichermaßen entsetzt über die Vorfälle zu Silvester in Köln wie über rechtsgesinnte Ausschreitungen, Tätlichkeiten und Demonstrationen.

Ich kann einfach keinen Unterschied machen, wenn es darum geht, Unrecht abzulehnen. Es bleibt ein Unrecht, ganz gleich, wer es verübt. Aber umgekehrt kann ich gutes nicht leugnen, ganz gleich, wer es mir tut.

Oder soll ich den netten Syrer, der mir neulich auf der Kreisverwaltung die Tür aufgehalten hat, oder die nette Chinesin, mit der ich mich bei Lidl am Gemüsestand sehr nett über die Qualität der angebotenen Tomaten unterhalten habe, verachten und den ignoranten, Hetzparolen schwingenden Herrn deutscher Nationalität, den ich eingangs erwähnte, dafür lieber mögen? Merkt ihr was? Da läuft doch was schief.

Soll ich alle Flüchtlinge hassen, bloß weil ein gewisser Prozentsatz von ihnen sich nicht zu benehmen weiß und glaubt, sich wie die Axt im Walde verhalten zu dürfen? Das wäre genauso, als würde ich alle Männer hassen, bloß weil es einen gewissen Prozentsatz von ihnen gibt, der Frauen mies behandelt oder vielleicht sogar schlägt oder vergewaltigt. Oder soll ich vielleicht doch gleich alle Menschen per se verabscheuen, weil es nämlich ganz viele von ihnen gibt, die anderen Menschen Leid zufügen, sie körperlich und/oder seelisch quälen oder sie sogar umbringen. Die stehlen, betrügen, morden. Oder ist es schlimmer, wenn diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit von jemandem verübt werden, der nicht meine Hautfarbe hat oder meine Sprache spricht? Jetzt wird es verwirrend, nicht wahr?

Ich will euch mal was sagen, und möglicherweise überrascht es die eine oder den anderen von euch. Menschen sind Menschen. Es gibt gute und böse, schöne und hässliche, nette und weniger nette, wobei vieles davon stets auch im Auge des Betrachters liegt. Es gibt sie in unzähligen Farben und Schattierungen, viele verschiedene Sprachen und Dialekte sprechend. Sie beten einen Gott an oder gleich mehrere, manche von ihnen auch gar keinen. Sie haben die verschiedensten Kulturen und Traditionen entwickelt und mannigfaltige Arten, mit dem Leben umzugehen. Es gibt sie in zwei grundsätzlichen Ausführungen: männlich und weiblich. Gerne auch für die “politisch Korrekten” unter euch: weiblich und männlich. Aber sie sind alle eines: Menschen

Ach, das wusstet ihr doch schon?

Wer meine Bücher gelesen hat, kennt meine Einstellung zu diesem Thema eigentlich schon längst. In meinen Romanen tummeln sich Figuren aus aller Herren Länder, unterschiedlichen Geschlechts (Ach wirklich? Oh ja!) und aus diversen Religionen und Kulturkreisen. Da gibt es den Gewürzhändler aus Konstantinopel (ui, das ist heute Istanbul), den türkischstämmigen Agenten bei einem deutschen (oder eher europäischen) Geheimdienst. Moment, genau genommen gibt es davon sogar zwei plus einen zivilen Hacker. Letzerer hat übrigens eine deutsche Freundin. Ein russischstämmiger Informant drückt sich auch irgendwo herum und eine Familie, in der die eine Hälfte jüdisch, die andere Hälfte katholisch ist. In meinem in kürze erscheinenden Liebesroman findet ihr eine Deutsche, die mit einem Amerikaner zusammen eine Eisdiele eröffnet (und ihn bei der Gelegenheit gleich geheiratet) hat, einen Imbissbesitzer, dessen Vater Türke, dessen Mutter Italienerin und dessen Ehefrau Griechin ist. So what? Kann sein, dass sein jüngerer Bruder demnächst eine heiße, deutsch-polnische Liebesbeziehung eingehen wird. Oder so. Keine Ahnung. Wenn mir danach ist, kriegt ihr es irgendwann zu lesen.

Dies nur als ein paar von vielen Beispielen, und es ist nicht so, dass ich diese Figuren absichtlich einsetze, um mein Statement für die Menschlichkeit in den Romanen zu implantieren. Nein, diese Figuren kommen während des Schreibens einfach zu mir. Soll ich sie wegschicken, weil sie eine andere Hautfarbe haben, “Allah” anstatt “Gott” sagen oder sonst irgendwie “anders” sind?

Im Leben nicht!

In meiner eigenen Familie sind so gut wie alle Weltreligionen vertreten, diverse Hautfarben, Kulturen, Ansichten und politische Einstellungen. Wir sind nicht immer alle einer Meinung. Ebenso ist nicht immer alles eitel Sonnenschein. Aber wir sind doch alle eines: Familie. Und warum? Weil wir einander in erster Linie als Menschen wahrnehmen.

Seid menschlich, Leute! Und bleibt es, egal, was passiert. Es gibt überall so’ne und solche.

*************************************

Diese Artikel könnten dich ebenfalls interessieren:

Entschleunigung. Oder: Chill mal heftig
Herzliche Einladung zur Release-Party für „Körbchen mit Meerblick“
Aktion Glückspilzmomente
Textschnipsel Nr. 6: Körbchen mit Meerblick

*************************************

Teilen mit