Viele von euch wollten schon immer mal wissen, wie so ein Lektorat bei einem Verlag eigentlich ausieht. Nun kann ich natürlich nur für mich sprechen, verallgemeinern lassen sich meine Erfahrungen nur bedingt, denn jeder Autor, jede Autorin arbeitet verschieden, ebenso jeder Lektor, jede Lektorin. Auch ist es laut meiner Lektorin bei Rowohlt extrem unterschiedlich, wie viel an einem Manuskript noch gearbeitet werden muss, nachdem der Autor es eingereicht hat. Manchmal müssen ganze Passagen oder gar Kapitel neu geschrieben, umgearbeitet, verschoben, gestrichen oder hinzugefügt werden. In anderen Fällen reicht schon eine Schönheitskorrektur in Form von Satzumstellungen, einzelnen ausgetauschten Wörtern usw.

Ich gehöre zur Gruppe derjenigen Autoren, bei denen überwiegend der letztgenannte Fall üblich ist. Das bedeutet, meine Lektorin hat vergleichsweise wenig Arbeit mit mir. Zwar kann es auf den ersten Blick erschrecken, wenn man ein Word-Dokument zurückbekommt, in dem (via Änderungen nachverfolgen) auf fast jeder Seite etliche rote (oder wahlweise blaue, grüne, je nachdem, welche Farbe die Software gerade vorgeschlagen hat) Unterstreichungen, Anmerkungen, Kommentare, Ersetzungen stehen. Doch wenn ich genau hinsehe, erkenne ich immer schnell, dass es alles halb so wild ist. Meist sieht es nur so wüst aus, weil die Funktion Änderungen nachverfolgen nicht nur neu eingefügte Wörter oder Sätze hervorhebt, sondern gleichzeitig auch anzeigt (in durchgestrichener Form), welche Wörter oder Sätze rausgeflogen bzw. ersetzt worden sind. Hinzu kommen dann natürlich noch kurze Anmerkungen oder Erklärungen der Lektorin, und das Gesamtbild kann ganz schnell verwirrend wirken. Ist es aber nicht. Unterm Strich sind die Änderungsvorschläge (oder auch Streichungen von Wiederholungen oder Füllwörtern, die mir beim ersten Überarbeiten entgangen sind) vergleichsweise marginal. Mindestens 95 % meines ursprünglichen Textes bleiben dabei unberührt, vermutlich sogar noch mehr, nachgerechnet habe ich es nicht.

Bei Verschwörung im Zeughaus hat meine Lektorin ebenso gearbeitet. Die ersten ca. 200 Seiten habe ich inzwischen von ihr erhalten und auch bereits weitgehend durchgesehen. Das ist bei mir in den meisten Fällen ein reines Abnicken der Vorschläge, denn meine Lektorin hat (so soll es sein!) ein wunderbares Gespür für den passenderen Ausdruck an einer bestimmten Stelle und sieht auch sofort, wo ggf. ein paar Sätze eingefügt oder zwecks Straffung der Handlung gestrichen werden sollten. Selten, dass ich ihr widerspreche. Hin und wieder fällt mir allerdings selbst noch eine Kleinigkeit auf, die ich dann (in anderer Farbe, damit meine Lektorin die Stellen auch findet) ebenfalls in das Manuskript eintrage. Es kommt auch schon mal vor, das sie ein Wort oder einen Satz vorschlägt, den wiederum ich dann noch einmal optimiere oder ersetze, weil mir durch ihre Anregung dann endlich die wirklich perfekte Formulierung einfällt.

Doch wie sehen nun solche Anmerkungen aus, die meine Lektorin mir auf den Weg gibt?

Hier mal ein Auszug aus der Begleit-E-Mail, die meine Lektorin mir zur ersten Hälfte des Manuskripts geschrieben hat. Und keine Sorge, es wird nicht gespoilert!

Wir arbeiten ja schon so lange zusammen, dass ich nicht mehr viel erklären muss, vielleicht so viel:
– Ich hatte ein technisches Problem: beim Einfügen bzw. Formulieren der Kommentare ist ein paar Mal die Datei abgestürzt, ich habe daher auf sie verzichtet und die Kommentare direkt in den Text eingefügt. (Erschien mir sicherer.)
– Ich glaube, einige örtliche Ungereimtheiten entdeckt zu haben, gerade im Keller wird es sehr unübersichtlich. Da müssten Sie präzisieren.
– Auch die Zeitstruktur müssten Sie sich noch mal genauer anschauen: Erstens weiß ich nicht, ob damals am Sonntag tatsächlich solch Geschäftigkeit geherrscht hat (das wissen Sie besser), zweitens geschieht sehr viel an dem einen Tag – zu viel?
– Dann habe ich noch einige Stellen (oft kleine Rückblicke ins frühere Leben Adelinas bzw. in die anderen Bücher) grün markiert, die ich unbedingt empfehle zu streichen. Sie nehmen an dem Punkt die Spannung!

Ich hoffe, alles andere (ich habe nicht viel machen müssen) erklärt sich von selbst. Falls nicht: bitte fragen!

Ihr seht, auch Lektoren kämpfen manchmal mit der Technik! Allerdings war das in diesem Fall gar nicht schlimm, denn die Anmerkungen im Text waren trotzdem gut lesbar, weil eben farbig hervorgehoben.

Was die örtlichen Ungereimtheiten angeht: Das ist so ein Punkt, den man als Autor irgendwann gar nicht mehr bemerkt, weil man so tief in der Geschichte drin ist, dass man stellenweise unpräzise wird. Abhilfe konnte ich aber ganz leicht schaffen, indem ich einfach an den entsprechenden Stellen (es waren, glaube ich, drei oder vier) einfach ein, zwei Sätze umformuliert bzw. hinzugefügt habe.

Ähnlich verhält es sich mit der Zeitstruktur. Ich habe einfach an ein, zwei Stellen die Handlung auf zwei Tage verteilt. Das klingt kompliziert? War es aber glücklicherweise nicht, da hierfür ebenfalls nur einige wenige Stellen angepasst werden mussten.

Das Schlimmste für viele Autoren ist es, wenn der Lektor ihnen Textstellen streicht. Man hat ja viel Arbeit in jeden einzelnen Satz gesteckt und trennt sich nur ungern von Formulierungen. Doch in diesem Fall hatte meine Lektorin wirklich recht! Es handelte sich um wenige kurze Passagen, die zumeist in der einen oder anderen Form Rückblicke auf Adelinas (die Heldin) Vergangenheit werfen. Nachdem ich sie gestrichen hatte, wirkte auch auf mich der Text viel runder.

Hier zwei Beispiele für solche Outtakes, also gestrichene Textstellen. Wo sie sich befunden haben, also in welchem Zusammenhang sie im Text standen, werde ich euch natürlich nicht verraten. ;-)

1.
»Mein Bruder Thomas freilich hat mich für meine Flucht auf ewig verdammt und aus seinem kalten Herz gerissen. Für ihn bin ich schlimmer als eine Ehebrecherin und nicht mehr wert als das Schwarze unter seinen Fingernägeln. Dabei habe ich niemals auf die Weise gesündigt, die er mir unterstellte. Ich nehme mein Gelübde Jesus Christus gegenüber sehr ernst und habe mich zumindest dagegen niemals versündigt.« Sie lächelte wieder. »Mit dreizehn Jahren wurde ich eine Braut Christi und werde auch als solche sterben. Nur eben nicht als Gefangene hinter Klostermauern.«

2.
Zum Glück war der große unterirdische Raum hinter dem Beinhaus, in dem sich vor Jahren eine Diebes- und Hehlerbande eingenistet hatte, inzwischen verwaist. Warum das Gesindel diese Behausung verlassen hatte, wusste Adelina nicht, doch es war ihr nur recht, dass die Schurken sich nicht mehr so nah bei ihrem Haus aufhielten.

Da das Lektorat noch nicht abgeschlossen ist – es kommt ja noch die zweite Hälfte des Manuskripts auf mich zu – werde ich hier im Blog (Rubrik Making-of) auch weiterhin davon berichten. Also haltet die Augen offen, denn ich habe auch noch ein paar weitere Outtakes für euch zusammengestellt!

Falls Ihr Fragen zum Thema Lektorat haben solltet, scheut euch bitte nicht, sie mir unten in den Kommentaren zu stellen. Soweit es mir möglich ist, werde ich sie gerne beantworten. Auch dürft ihr mir gerne – falls ihr selbst Autor/Autorin seid, eure Erfahrungen mit Lektoraten schildern.


Verschwörung im Zeughaus
Historischer Roman
Petra Schier
Rowohlt-Taschenbuch
352 Seiten
ISBN 978-3-49925922-7
Preis: 9.99 Euro
Erscheint am 1. Juli 2013
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