fountain-pen-297440_640In einem Autorenforum, dem ich schon viele Jahre angehöre, stellte ein Kollege neulich die Frage in den Raum, was unter dem Begriff “für einen Roman brennen” zu verstehen sei, weil er dieses Gefühl oder den Zustand nicht nachvollziehen könne. Er brenne nicht beim Schreiben, sondern konstruiere seine Geschichten “mit kühlem Kopf”. Das hat mich beschäftigt und dazu veranlasst, nicht nur im Forum meine Eindrücke dazu zu schreiben, sondern auch einen Blogartikel dazu zu verfassen, denn ich könnte mir vorstellen, dass dieses Thema auch für andere Autoren (und vielleicht auch Leser) interessant sein könnte. Natürlich kann ich nur über meine ganz eigenen Erfahrungen sprechen, aber es steht euch frei (und ich würde mich freuen), wenn ihr mir eure Erfahrungen auf diesem Gebiet mitteilt.

Erst mal ein paar grundsätzliche Dinge zum Verständnis:

Dieser Ausdruck – für seinen Text/Geschichte „brennen“ – wird immer wieder von Schriftstellern verwendet. Meist im Sinne von „du musst für deine Geschichte brennen, damit sie gut wird“ oder damit man super-motiviert schreibt oder Ähnliches. In dieselbe Kategorie fällt der Ausdruck „mit Herzblut geschrieben“ oder „diese Geschichte war einfach in mir, sie musste unbedingt raus“. Als ob die Geschichte ein Eigenleben hätte und der Autor nur derjenige ist, dem die Geschichte selbst die Worte diktiert. Der Autor als Schreibsklave sozusagen.

Aber gibt es so was wirklich? Ja, ganz eindeutig, aber jeder Autor / Schriftsteller empfindet das Schreiben dennoch ganz anders und oftmals auch noch von Buch zu Buch verschieden.

Ich weiß noch, wie sehr ich mich bei meinem allerersten Roman im “Flow” befand, der viele Jahre später zur Veröffentlichung meiner Kreuz-Trilogie führte (Die Eifelgräfin/Die Gewürzhändlerin/Die Bastardtochter). Ich schrieb und schrieb und schrieb, einfach weil die Geschichte raus wollte. Es war tatsächlich stellenweise wie ein Schreibrausch. So intensiv habe ich das seither nur noch selten und nicht so dauerhaft empfunden.

Ich bin halb Plan- und halb Bauchschreiberin, vielleicht macht es diese Mischung, dass ich zwar mit Herzblut schreibe, aber nicht unbedingt von mir behaupte, ständig für eine Geschichte zu “brennen”. Ich sehe Bilder vor meinem inneren Auge, die bringe ich in ein Gerüst (Exposé), verfasse ich noch ein paar Figurensteckbriefe und -listen, danach lasse ich die Geschichte und die Bilder in meinem Kopf wieder großteils die Regie übernehmen.

Eine einzige Ausnahme gibt es, eine Geschichte, für die ich wirklich gebrannt (und stellenweise gelitten) habe. Mein aktueller historischer Roman Der Hexenschöffe ist eine wahre Geschichte. Das Schicksal der betroffenen Personen hat mich derart gepackt und gefesselt (schon vor vielen Jahren), dass ich wusste, ich MUSS darüber schreiben. Die Recherche war immens, das Schreiben lief zwar meistens flüssig, war aber dennoch wegen des schrecklichen Themas oft schwierig und schmerzhaft. Aber ich WOLLTE den Figuren, dem Thema, so gut gerecht werden wir nur irgend möglich. Ja, wirklich, ich habe gebrannt. Und das ist jetzt kein Wortspiel hinsichtlich des Romanthemas …

Ergebnis ist, wie ich finde, mein schriftstellerisches Meisterstück. Anders als alles, was ich bisher verfasst habe, intensiver, grausamer. Die Rezensenten (selbst die, die meine bisherigen Bücher nicht so mochten) geben volle Punktzahl und überschlagen sich vor Begeisterung. Darauf bin ich sehr stolz.

Seither kenne ich dieses Gefühl des “Brennens” also auch, und es ist mehr also nur der “Flow”, der einsetzen kann (und immer erwünscht ist aber nicht immer erreicht wird). Es ist ein Schreiben mit Körper, Herz und Seele, ein Kraftakt und ein emotionaler Zustand.

Doch es hat auch einen “Nachteil”, nein eigentlich zwei. Erstens habe ich die Messlatte für zukünftige Romane für mich selbst aber auch bei den Lesern durch dieses eine Buch wohl extrem hochgelegt. Zweitens bin ich nach diesem Roman ein bisschen in ein “Loch” gefallen. Der Hexenschöffe wirkt noch immer in mir nach, im Kopf und im Herzen. Ich schreibe inzwischen wieder an einem neuen historischen Roman, dem dritten Teil der eingangs erwähnten Trilogie. Ganz anderes Thema, vollkommen verschiedenes Setting. Kein Brennen.

Oder sagen wir mal so: Ich will auch diese Geschichte unbedingt schreiben, sehe Bilder vor meinem inneren Auge, all das. Aber es ist dennoch anders. Fast so, als schreibe ich plötzlich aus der Distanz. Ich hatte erst einmal richtig Mühe, mich überhaupt in die andere Epoche zurückzuversetzen, obgleich sie eigentlich mein Spezialgebiet ist. Die Figuren schienen mir anfangs alle so wahnsinnig fern zu sein.

Allmählich kriege ich ein Gefühl für die Geschichte und bin sicher, sie wird gut, aber der Schreibprozess ist ein ganz anderer, ruhigerer, weniger emotional belastend.

Ich frage mich, ob ich jemals wieder für einen Roman derart brennen werde oder ob das eine einmalige Sache war. Andererseits habe ich mit “normal dosiertem” Herzblut und ohne das Brennen vorher auch schon viele Bücher geschrieben und werde es auch zukünftig tun. Natürlich kann das ebenfalls sehr anstrengend sein. Man ringt mit den Worten oder den Figuren, liebt und hast sie, verflucht den Text und vermisst die Geschichte, wenn sie fertig geschrieben ist. Es gibt gute und weniger gute Schreibtage, Momente, in denen man glaubt, nur Schrott zu produzieren und solche, in denen man verwundert feststellt, wie gut ein Satz, eine Szene, ein Kapitel gelungen ist.

Im Nachhinein betrachtet ist für mich das Schreiben ohne dieses Brennen auf Dauer vielleicht sogar gesünder. Hin und wieder, alle fünf oder zehn Jahre oder so, kann ich ein so intensives Projekt wie den Hexenschöffen möglicherweise verkraften. Wäre es bei jedem Buch so heftig, würde ich vielleicht auch irgendwann mal “ausbrennen.”

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