Ja, ich kann vom Schreiben leben.
Aber mal ganz ehrlich: Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ich (oder besser noch irgendwer, den ihr überhaupt nicht kennt) euch fragen würde, ob ihr von eurem Job leben könnt oder sogar, wie viel ihr denn so im Monat verdient. Würdet ihr das so einfach öffentlich sagen? Ja? Dann gehört ihr aber zu einer Minderheit, denn die meisten von euch würden jetzt wohl geantwortet haben: “Das geht dich gar nichts an!”
Von uns Autoren erwartet man aber offenbar, dass wir bereitwillig unsere finanzielle Lage in der Öffentlichkeit darlegen. Ich weiß nicht, wie oft mir die Frage “Können Sie denn davon leben?” bereits gestellt wurde.
Also noch mal: Ja, kann ich.
Damit gehöre ich zu den – keine Ahnung – etwa drei (oder so) Prozent aller Autoren in Deutschland, die so glücklich sind, das von sich sagen zu dürfen. Zumindest laut Schätzung der Künstlersozialkasse. Aber an einem Punkt muss ich jetzt auch mal einschreiten: Wie gut oder wie schlecht ich davon leben kann, das heißt, wie viel ich im Monat nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern übrig habe, geht euch nun wirklich nichts an. Das will ich von euch ja auch nicht wissen.
Und weil wir gerade dabei sind: Ja, ich leiste Sozialabgaben. Ich zahle in die Rentenversicherung ein und auch in die Kranken- und Pflegeversicherung und das läuft über die oben genannte Künstlersozialkasse. Und falls mal irgendwer euch sagen sollte, dass die abgeschafft gehört: Nein, gehört sie nicht, denn ohne sie würde die kulturelle Landschaft in Deutschland zusammenbrechen, weil Künstler (egal welche, nicht bloß Autoren) darauf angewiesen sind, dass es die KSK gibt. Wir sind dort pflichtversichert, wenn wir unsere Kunst hauptberuflich ausüben bzw. den größten Teil unseres Einkommens damit erzielen. Die KSK übernimmt 50 Prozent unserer Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge. Das Geld dafür kommt zum Teil vom Staat und zum Teil von den Firmen/Betrieben, die uns beschäftigen, also allen voran den Verlagen, aber auch allen übrigen, die freischaffende Künstler beschäftigen oder mit ihnen zusammenarbeiten. Wie genau das funktioniert, darüber möchte ich hier aber gar nicht referieren, denn das ist gar nicht mein heutiges Thema.
Kommen wir also wieder darauf zurück:
Viele, viele Autoren können NICHT vom Schreiben allein leben. Sie haben andere Berufe, die es ihnen ermöglichen, ihre Brötchen zu kaufen. Manchmal reicht es trotzdem nicht für die Butter obendrauf. Hauptberuflich Schreibende leben nicht selten am Existenzminimum oder darunter. Tun sie es nicht, haben sie entweder das Glück, den einen oder anderen Bestseller verfasst zu haben (am besten mehrere am Stück, denn einer allein reicht auch nicht wirklich), oder aber, wie in meinem Fall: Sie arbeiten wie wild. Sie veröffentlichen mehr als nur ein oder zwei Bücher pro Jahr. Sie machen selten Urlaub. Sie leben praktisch rund um die Uhr mit ihren Büchern/Manuskripten. Sie haben oft Pseudonyme, damit sie unter mehreren Namen veröffentlichen können, weil einer nicht ausreicht.
Trotzdem beschweren wir uns nicht. Oder nur selten. Vermutlich viel zu selten, denn dass wir am Ende der Nahrungskette stehen, obwohl es ohne uns gar keine Bücher, Hörbücher, eBooks usw. gäbe, mit denen alle anderen so viel verdienen, dass sie davon leben können, ist schon eine Sache, die uns auf die Palme bringen sollte.
Ich bin nicht reich wie die Rowling. Ich kann bloß vom Schreiben leben. Aber es ist ein hartes Brot. In solchen Gesprächen, wenn wieder mal jemand nach dem davon Leben fragt, sehe ich oft, dass, obwohl ich die Frage bejahen kann, mein Gegenüber sich fragt, warum ich mir das denn antue. Ich könnte doch mit einem anderen Beruf und möglicherweise viel weniger Aufwand viel mehr Geld verdienen.
Will ich aber nicht. Ich bin Autorin. Schriftstellerin. Ich schreibe Geschichten. Das wollte ich schon immer und werde ich immer wollen. Warum in aller Welt sollte ich also einen anderen Beruf wählen, bloß weil man damit mehr Geld verdienen könnte? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Denn wenn ich mich so umsehe, wird man auch nur mit einem winzigen Prozentsatz aller übrigen verfügbaren Berufe reich. Oder wohlhabend. Oder kommt über die Runden …
Warum also nicht das tun, was man wirklich will, laut Aussage von Lesern und Verlagen auch richtig gut kann und womit man glücklich ist? Genau.
Was mich aber auch zu einem zweiten Punkt bringt, der dabei nicht außer Acht gelassen werden darf:
Ich arbeite nicht umsonst, kostenlos, für umme!
Verlage bezahlen mir ein Honorar bzw. Tantiemen auf jedes verkaufte Buch, Hörbuch, eBook und was sonst noch so an Machwerken aus meinen Manuskripten entsteht. Aber das ist ja nicht die einzige Arbeit, die ich leiste. Ich gehe auch gerne auf Lesereise, um mich mit euch, liebe Leserinnen und Leser, live zu treffen, mich mit euch auszutauschen, eure Fragen zu beantworten. Ja, auch die nach dem davon Leben. Das tue ich sehr, sehr gerne. Doch in der Zeit, die ich benötige, um mich auf Lesungen vorzubereiten, zum Veranstaltungsort zu fahren, die Lesung abzuhalten, möglicherweise, wenn es sein muss, auch zu übernachten und dann nach Hause oder zum nächsten Veranstaltungsort zu fahren, kann ich logischerweise nicht schreiben.
Deshalb, ihr Lieben, kann ich nicht kostenlos lesen. Ich verlange dafür ein Honorar. Fahrtkosten sowie Übernachtungskosten, falls notwendig, möchte ich auch gern bezahlt haben. Ausnahmen bilden Benefizveranstaltungen für gute Zwecke, da kann man auch mal eine Ausnahme machen. Ausnahme!
Es gibt Veranstalter, die finden das ganz schön dreist. Wirklich. Die behaupten doch glatt, so eine Lesung sei doch Werbung für meine Bücher. Wozu mich dann auch noch bezahlen? Und überhaupt, die armen Buchhändler (oder sonstige Veranstalter) haben ja eh kein Geld und kämpfen ums Überleben.
Hm. Das tun wir Autoren auch.
Falls da draußen auch potenzielle Lesungsveranstalter sind, die diesen Artikel lesen: Sagt ihr zu eurem Klempner, eurem Zimmermann, eurem Fliesenleger etc. auch, dass er doch gut umsonst für euch arbeiten könnte? Ihr würdet auch viel Werbung für ihn machen, das wär dann schon recht für ihn? Stellt ihr überhaupt in Frage, ob ein Handwerker oder Dienstleister jedweder Couleur euch nach Erbringung einer Leistung eine Rechnung stellt? Ich glaube nicht.
Eine Lesung ist auch eine Dienstleistung, die mit viel Aufwand verbunden ist. Sie will bezahlt werden, denn sonst kann die Autorin eben irgendwann nicht mehr vom Schreiben leben.
Ich weiß, dass weder hinter der Frage, ob ich vom Schreiben leben kann, noch nach der Forderung nach kostenlosen Lesungen böser Wille steckt. Aber eine Mischung aus Unwissenheit und herber Gedankenlosigkeit.
Wie wäre es, zukünftig nur noch solche Fragen zu stellen, auf die man selbst auch bereitwillig antworten würde?
Bitte. Danke.
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Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit Mann und Hund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2003 als freie Autorin. Ihre historischen Romane erscheinen im Rowohlt Taschenbuch Verlag, ihre Weihnachtsromane bei Rütten & Loening sowie MIRA Taschenbuch.
Unter dem Pseudonym Mila Roth veröffentlicht die Autorin verlagsunabhängig verschiedene erfolgreiche Buchserien.
Petra Schier ist Mitglied in folgenden Autorenvereinigungen: DELIA, Syndikat, Autorenforum Montségur
ich finde dein Denkanstoss ja richtig. Fakt ist nur, dass ist eine Deutsprachige Krankheit, nicht übers Geld reden zu wollen. “Über Geld redet man nicht, man hats”. So ein Unfug. Neid muss man sich ja schließlich hart verdienen. Ich gönn dir, dass du von deinem Traum leben kannst. Ich würde das auch gerne. Aber, arbeiten allein reicht nicht, um Erfolg zu haben, man muss es auch verkaufen können, und, zu guter Letzt, manchmal gehört auch etwas Glück zum können dazu. Immerhin hat man als Fotografin praktisch genau das selbe Problem auch. Davon könnte ich mehr als ein Buch schreiben…
Mag sein, dass das eine deutsche Verhaltensweise ist, aber es geht ja nicht per se darum, niemandem zu erzählen, was ich verdiene. Mit Freunden und Autorenkollegen tausche ich mich durchaus gerne darüber aus. Mir geht es um fremde Menschen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendjemand, egal wo auf der Welt, toll findet, wenn ihn ein Fremder einfach so fragt, ob und wie viel er verdient. Ich kann mich täuschen, aber ich glaube nicht, dass das überall außer bei uns so üblich ist.
Ich finde ja die Entlohnung von Autoren für ihre Arbeit sollte einmal gründlich überdacht werden. Ein Buchautor bekommt im Endeffekt viel zu wenig Geld für seine Arbeit – ein Firmeninhaber würde keine Buchautoren fest einstellen um Bücher im großen Stil zu produzieren, weil selbst zum Mindestlohn arbeitende Autoren ein vielfaches eines freien Schriftstellers verdienen würde.
Im Gespräch mit einer Autorin habe ich mal durchgerechnet, was sie für ihre monatelange Schreibarbeit bekommt und was jemand verdient, der eben dieses Buch in einem Blog bespricht und dann per Amazon-Affiliate verlinkt. Erschreckend: Pro verkauftem Buch über den Link im Blog kommt fast genauso viel Geld aufs Bloggerkonto wie die Autorin pro verkauftem Buch bekommt. Nur hat die Autorin dafür lange und kreativ gearbeitet und ist bei Dingen wie dem Umschlagcover sogar in Vorleistung gegangen. Der Affiliate-Blogger macht kaum etwas. Er schreibt einen kurzen Internettext und setzt einen Link. Bei entsprechender Reichweite kann so einiges zusammenkommen. Würde alle Bücher der Autorin nur über dieses fiktive Blog verkauft werden, würde er am Ende fast so viel verdient haben wie sie.
Aber im Gegensatz zu anderen Menschen sage ich nicht, dass dann halt die Affiliate-Belohnungen sinken müssen sondern ich würde mich freuen wenn die Autoren fair bezahlt werden würden. Der Arbeit angemessen halt. Lustigerweise fordern ja gerade die eine Abschaffung der KSK, die massenweise Autoren erst auf die Straße gesetzt und dann freiberuflich beschäftigt haben. Die sich die Sozialversicherungskosten für diese Menschen einsparen, ihnen dann auch noch weniger für ihre Arbeit zahlen und sich nun auch noch vor den wirklich geringen KSK-Zahlungen drücken wollen. Ganz toll.
“In Vorleistung” treten nur Selfpublisher, die sich selbst verlegen. Die als ihr eigener Verlag agieren (selbst wenn sie nicht als Verlag gelistet sind).
Wenn man jedoch bei einem Verlag unter Vertrag ist und für das Cover bezahlen muss, läuft etwas nicht richtig. Der Verlag legt alle Leistungen vor. Wenn er seriös ist.
http://www.aktionsbuendnis-faire-verlage.com/web/
Liebe Meara, danke für die Erklärung! Damit bist du mir gerade zuvorgekommen. :)
Danke liebe Petra, für deine ehrlichen Worte. Auch ich wurde das schon öfters gefragt. Aber ich bin eine derjenigen die einen Teilzeit-Brotjob hat. Mich macht das Schreiben von Kinderbüchern glücklich. Versuche aber auch in anderen Genres Fuß zu fassen. Leider denken manche einfach nicht nach.
Hab einen tollen Tag!
Deine Bettina