Ab und zu braucht man ihn: den Tapetenwechsel. Auch literarisch. Nach drei Romanen über Adelina und das spätmittelalterliche Köln brauchte ich ihn ebenfalls. Ich dachte, ich hätte Adelinas Geschichte zuende erzählt. Dass ich mich geirrt hatte, steht auf einem anderen Blatt. Zu jenem Zeitpunkt im Spätsommer 2007, nachdem ich Verrat im Zunfthaus beendet hatte, war ich jedenfalls dieser Ansicht und machte mich auf die Suche nach neuen Ufern. Oder vielmehr Schauplätzen.

Ich hatte schon länger die Idee, mal etwas über eine Reliquienhändlerin zu schreiben. Genauer gesagt nach der Lektüre eines der Begine-Almut-Romane von Andrea Schacht. Welcher das war, weiß ich gerade nicht mehr. Aber es kam ein Reliquienhändler darin vor. Esteban hieß er, glaube ich. Außerdem wollte ich auch gerne mal über einen Ablasshändler schreiben. Und beides zusammen? Klar, warum nicht? Die Frage war bloß: Wie bringe ich beides logisch zusammen? Das sind ja eigentlich gegenläufige Pole. Andererseits könnte genau das ja besonders spannend werden. Vor allem, weil in der Welt der Reliquien aber auch des Ablasshandels im Mittelalter nichts wirklich so war, wie der schöne Schein suggerierte.

Ein passendes Setting musste also her. Ich googelte ein bisschen und kam irgendwie auf die Internetseite des Aachener Doms. Dort entdeckte ich, dass just im Sommer 2007, also wenige Wochen zuvor, in Aachen die so genannte Heiligtumsfahrt gewesen war. Asche auf mein Haupt: Ich hatte keine Ahnung, was das war. Also googelte ich weiter, recherchierte immer mehr und lernte so einiges über diese ganz besondere Veranstaltung, die nur alle sieben Jahre stattfindet, und das bis auf nur zwei Unterbrechungen seit 1349!

Da waren wir ja genau in “meiner” Epoche! Im späten Mittelalter. Noch ein wenig Recherche mehr und es stand fest, dass 1412 das Jahr meiner Wahl war. Aachen sowieso, hatte ich vergessen, das zu erwähnen? :-) Der Schauplatz gefiel mir wahnsinnig gut. Und wie perfekt die Wahl tatsächlich war, zeigte sich, als ich begann, in Bibliotheken und Archiven zu stöbern. Über das spätmittelalterliche Aachen gibt es unzählige wundervolle Quellen, die es mir zur wahren Freude machten, die Welt um meine Figuren herum entstehen (oder wieder entstehen) zu lassen. Namen, Fakten, Straßenzeichnungen, einfach alles, was das Autorenherz begehrte, fand ich in historischem Material. Sogar die die Schriften eines Kanonikers aus dem Aachener Marienstift, der im 14. Jahrhundert gelebt hat und tatsächlich den Ablauf der Zeigung der Reliquien während der Heiligtumsfahrt bis ins kleinste Detail beschrieben hat. Ich brauchte fast nur noch abzuschreiben. Na ja, in Wahrheit habe ich natürlich das alles durch die Augen meines männlichen Protagonisten erzählt, aber diese Details! Ich war wahnsinnig begeistert und mit Feuereifer bei der Sache.

Dann sollte ich ein Exposé für meinen Agenten erstellen. Inzwischen stand die Frankfurter Buchmesse vor der Tür, wo wir uns treffen wollten. Er hatte es plötzlich recht eilig, weil ihm die Idee so gut gefiel und er das Projekt noch auf der Messe dem Verlag vorstellen wollte. Und ich? Ich saß in meinem Hotelzimmer, am zweiten Messetag, und hämmerte ein Kurzexposé in meinen Laptop. Dort ist mir dann übrigens der Name Marysa für meine Protagonistin zugeflogen. Woher er kam, weiß ich nicht. Er war plötzlich da. Und schnell gesellte sich dann auch noch Christopherus hinzu für den männlichen Gegenpart.

Da hatte ich sie also, meine Reliquienhändlerin und meinen Ablasskrämer. Und anders als bei Adelina beschloss ich von Anfang an, daraus eine Trilogie zu machen. Wenn man das nämlich von vorneherein weiß, kann man den übergeordneten Handlungs- und Spannungsbogen gleich ganz anders konzipieren. Über drei Bücher hinweg. Rund, logisch und in sich geschlossen.

Glücklicherweise bot Aachen nicht nur die Heiligtumsfahrt, sondern auch noch die sich damals im Bau befindliche Chorhalle des Doms sowie weitere Themen im Bereich der Reliquien, sodass ich auch für Band 2 und Band 3 jeweils passende Plots zur Verfügung hatte. Auch zeitlich passte alles wunderbar zusammen.

Die erste Schwierigkeit war dann allerdings, mich von Adelina zu lösen. Man gewöhnt sich an Figuren, wenn man sie über mehrere Bücher hinweg begleitet. Man lernt sie in- und auswendig kennen, ist aber dennoch immer wieder überrascht, wie sie sich entwickeln. Nun hieß es, einen völlig neuen Frauencharakter zu erfinden. Stark zwar, aber auf andere Weise. Vor allem: Marysa startete mit völlig anderen Voraussetzungen und anderen charakterlichen Anlagen als Adelina. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, und vielleicht ging es meinen Lesern auch so. Marysa wurde anfangs oft mit Adelina verglichen und schnitt im ersten Moment schwächer ab. Aber nur, bis die Leser merkten, dass ich mit ihr etwas volllkommen anderes vorhatte, dass sie sich entwickeln durfte und musste. Was sie auch tat. Nach der ersten Hälfte von Die Stadt der Heiligen mochten sie die meisten dann doch sehr. Weil sie begriffen, wohin die Reise gehen würde.

Was mich heute ein bisschen traurig macht, ist die Tatsache, dass die Aachen-Trilogie nie wirklich die Aufmerksamkeit erhalten hat, die ihr meiner Meinung nach gebührt hätte. Der Verlag machte eher wenig Werbung dafür, weil man dort vermutlich dachte, die Bücher müssten sich von selbst verkaufen. Und Band 1 tat das auch recht ordentlich. Was mich aber sehr erschreckt, ist die Tatsache, dass unzählige Leser da draußen gar nicht wissen, dass es einen zweiten und dritten Band gibt. Noch heute spreche ich immer wieder mit Leserinnen oder Lesern, die ganz verblüfft sind, wenn ich ihnen mitteile, dass es da auch noch die Bücher Der gläserne Schrein und Das silberne Zeichen gibt und dass Marysas und Christopherus’ Geschichte erst vollständig ist, wenn man diese beiden auch gelesen hat. Woran es letztlich gelegen hat, dass offenbar viele viele Buchhandlungen die Bände zwei und drei gar nicht erst geordert haben, kann ich heute nicht mehr sagen. Was ich definitiv weiß, ist, dass Band 2 noch nicht einmal den Vorschuss eingespielt hat. Bis heute nicht.

Falls ihr euch befleißigt fühlen solltet, daran etwas zu ändern, zögert bitte nicht, die Trilogie all euren Freunden wärmstens ans Herz zu legen! ;-)

Jammern möchte ich trotzdem nicht, denn alle diejenigen, die die Trilogie gelesen haben, liebten sie. Fast alle. Es gibt immer Menschen, denen ein Buch nicht gefällt. Das ist in Ordnung. Wenn die Mehrzahl der Leser meine Bücher mag, ist das für mich Motivation genug weiterzuschreiben.

Einiges an historischen Details zu Die Stadt der Heiligen verrate ich euch gerne in einem weiteren Blogartikel. Dazu werde ich dieser Tage mal meine alten Recherchekisten hervorholen und ein paar Fotos machen.

Übrigens war ich im Dezember 2007 mit meinem Mann zusammen in Aachen, um vor Ort zu recherchieren. Hauptsächlich in der Innenstadt und im Dom. Aber auch auf dem Weihnachtsmarkt sind wir selbstverständlich gewesen.

Aachener Weihnachtsmarkt 2007

Fest steht, dass mir der literarische Tapetenwechsel nach Aachen unglaublich gut getan hat. Ich liebe meine Aachen-Trilogie und gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie zukünftig doch noch von ganz vielen Lesern entdeckt wird. Übrigens haben die meisten Buchhandlungen in Aachen die Bücher heute noch vorrätig und empfehlen sie vor allem den Touristen fleißig weiter. Das freut mich natürlich sehr.

Falls ihr zufällig auch zu den Lesern gehören solltet, die die Bände zwei und drei noch gar nicht kennen, haltet unbedingt die Augen auf. Auch zu ihnen werde ich in nächster Zeit hier im Blog etwas erzählen. Und gewinnen könnt ihr sie mit etwas Glück auch. ;-)

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Übrigens kann man mich auch heute noch für Lesungen aus Die Stadt der Heiligen (oder der gesamten Trilogie) buchen.

Auf Wunsch komme ich dann sogar im historischen Pilgerkostüm und bringe vielfältiges Anschauungsmaterial mit.

Auf dem Foto könnt ihr ein bisschen was davon sehen (auf dem Tisch).

Und falls ihr jetzt Lust bekommen habt, in das Buch Die Stadt der Heiligen reinzuschnuppern, gibt es HIER eine Leseprobe.

Wahlweise könnt ihr aber auch einfach meine Online-Lesung auf YouTube anhören. Sie ist wie immer bei den historischen Romanen mit authentischer Mittelaltermusik unterlegt:

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Ein Toter im Dom. Eine gefälschte Reliquie. Eine Frau auf der Suche nach der Wahrheit.

Aachen, 1412: Der Geselle Klas liegt erschlagen im Dom. Verdächtigt wird seinMeister, Reliquienhändler Reinold Markwardt. Dessen Frau Marysa glaubt an eine Verschwörung. Unterstützt von dem Mönch Christophorus, stößt siebei ihren Nachforschungen auf einen Handel mit gefälschten Reliquien.
Doch ihre Feinde sind mächtig: Marysa wird der Ketzerei angeklagt und soll auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Die Zeit wird knapp für Christophorus …


Die Stadt der Heiligen

Petra Schier
Rowohlt-Taschenbuch
349 Seiten
ISBN 978-3-499-248-62-7
8.99 Euro
Auch als eBook erhältlich!

Informationen, Leseprobe, Shop-Links uvm. findet ihr auf meiner HOMEPAGE.

 

 

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